Catfishing bezeichnet die bewusste Erstellung einer falschen Online-Identität – oft in sozialen Netzwerken oder auf Dating-Plattformen – mit dem Ziel, andere zu täuschen. Diese Täuschung kann emotionale Manipulation, romantische Ausnutzung, finanziellen Betrug oder sogar Cybermobbing umfassen. Die Täter, bekannt als Catfish, verwenden häufig gestohlene Fotos und erfundene Informationen, um sich als jemand anderes auszugeben.
Was oft mit vermeintlicher Romantik beginnt, hat sich zu einer komplexen Form digitaler Täuschung entwickelt, die psychische Traumata, finanzielle Verluste und in Extremfällen sogar Todesfälle zur Folge haben kann. In einer zunehmend digitalen Gesellschaft ist das Verständnis von Catfishing ein wichtiger Schritt zu mehr Online-Sicherheit und Aufklärung.
Was ist Catfishing?
Beim Catfishing gibt sich eine Person online als jemand aus, der sie nicht ist. Die falsche Identität wird meist mit gestohlenen Bildern, einem erfundenen Namen und einer gefälschten Lebensgeschichte aufgebaut. Während Catfishing am häufigsten im Zusammenhang mit Online-Romanzenschwindeln steht, können die Motive vielfältig sein: emotionale Bestätigung, finanzielle Bereicherung, Identitätserkundung oder sogar gezielte Rache.
Ein typischer Catfish kann:
- Fotos von anderen Personen verwenden, um attraktiver zu erscheinen.
- Über Beruf, Alter, Wohnort oder Geschlecht lügen.
- Videoanrufe oder Telefongespräche konsequent verweigern.
- Geheimhaltung fordern, Opfer isolieren oder Geld erbitten.
Diese Praxis nutzt gezielt die Anonymität des Internets aus, wo Menschen ihr digitales Selbst manipulieren und emotionalen Einfluss auf andere nehmen können.
Herkunft des Begriffs „Catfishing“
Der Begriff „Catfishing“ wurde durch die 2010 erschienene Dokumentation Catfish bekannt. In dem Film geht es um Nev Schulman, der sich online in eine Frau verliebt, nur um herauszufinden, dass sie nicht die war, für die sie sich ausgab. Sie hatte eine ganze fiktive Online-Persona inklusive gefälschter Facebook-Profile und erfundener Familienmitglieder erstellt.
Im Film vergleicht der Ehemann der Betrügerin ihre Taten mit einem angeblichen Brauch beim Fischversand: Um Kabeljau während des Transports lebendig und frisch zu halten, setzte man angeblich Welse (engl. catfish) ins Transportfass, die die Kabeljaue in Bewegung hielten. Dieser Vergleich wurde zur Metapher für die ständige Unruhe und Unsicherheit, die durch einen Catfish erzeugt wird.
Obwohl der Wahrheitsgehalt dieser Legende zweifelhaft ist, findet sich eine frühe Version bereits 1913 in Essays in Rebellion von Henry Nevinson und in The Catfish von Charles Marriott. Im digitalen Zeitalter wurde die Metapher neu interpretiert – und viral.
Medienwirksamkeit und Bekanntheit
Nach dem Erfolg der Dokumentation startete 2012 die MTV-Serie Catfish: The TV Show, in der Nev Schulman Menschen hilft, ihre Online-Beziehungen zu hinterfragen und mögliche Täuschungen aufzudecken.
Ein besonders aufsehenerregender Fall war 2013 der Skandal um den Football-Star Manti Te’o von der University of Notre Dame. Te’o glaubte, eine Online-Beziehung zu führen – doch die angebliche Frau existierte nicht. Der Fall wurde weltweit bekannt und sensibilisierte Millionen für das Phänomen.
Im selben Jahr wurde der Begriff „Catfishing“ erstmals in einem US-Gerichtsverfahren verwendet (Zimmerman v. Board of Trustees of Ball State University), wobei sich der Richter auf die Definition aus dem Urban Dictionary bezog. 2014 wurde das Wort offiziell in die Merriam-Webster Collegiate Dictionary aufgenommen.
Warum betreiben Menschen Catfishing?
Die Gründe sind vielfältig – und nicht immer ausschließlich böswillig. Dennoch ist Täuschung das zentrale Element. Hier sind einige häufige Motive:
1. Romantische Manipulation
Einige Catfish sehnen sich nach Nähe oder Aufmerksamkeit und erschaffen eine erfundene Persona, um romantische Beziehungen zu initiieren.
2. Finanzieller Betrug
Scammer nutzen gefälschte Profile, um Vertrauen aufzubauen und dann Geldforderungen zu stellen – etwa in Form von „Notfällen“, Reisekosten oder Investitionen (z. B. beim sogenannten „Pig Butchering“-Betrug).
3. Erkundung von Geschlechts- oder Sexualidentität
Manche nutzen Catfishing als Mittel, ihre wahre Identität anonym zu erkunden. Obwohl nicht zwangsläufig böswillig, bleiben die getäuschten Personen emotional betroffen.
4. Rache oder Mobbing
Catfishing wird auch als Waffe gegen Ex-Partner, Kollegen oder Konkurrenten eingesetzt – um sie öffentlich zu diskreditieren oder psychisch zu schädigen.
5. Trolling oder Unterhaltung
Einige Täter handeln aus Langeweile oder Sadismus und finden Freude daran, andere zu täuschen – ohne finanziellen oder romantischen Hintergedanken.
Taktiken der Catfish
Catfish agieren oft hochmanipulativ. Sie erstellen professionelle Profile, bauen Vertrauen auf und verwenden psychologische Tricks. Zu den gängigen Methoden gehören:
- Love Bombing: Übermäßige Komplimente und Zuneigung in kurzer Zeit, um emotionale Abhängigkeit zu erzeugen.
- Vermeidung von Verifikation: Keine Videoanrufe, keine Telefongespräche, keine persönlichen Treffen – stets mit Ausreden.
- Inkonsistente Profile: Unterschiedliche Namen, wechselnde Wohnorte, Fotos mit unpassenden Hintergründen.
- Impersonation: Sich als Prominente, Models oder Soldaten ausgeben – meist mit gestohlenen Bildern.
- Technische Verschleierung: VPNs oder Proxy-Server werden genutzt, um den tatsächlichen Standort zu verschleiern.
- Geldforderungen: Oft in Verbindung mit herzzerreißenden Geschichten oder Versprechungen einer gemeinsamen Zukunft.
Warnzeichen für Catfishing
Auch wenn nicht jede Online-Beziehung ein Betrug ist, können folgende Hinweise auf Catfishing hindeuten:
- Ständige Ausflüchte bei Video- oder Sprachkontakt.
- Ausreden, um reale Treffen zu vermeiden.
- Forderungen nach Geld oder finanziellen Gefallen.
- Profile mit wenigen Followern, kaum Interaktion oder stockfotenähnlichen Bildern.
- Widersprüche in Geschichten oder geposteten Inhalten.
- Druck, die Beziehung geheim zu halten oder Freunde auszuschließen.
- Beharren auf übermäßiger Intimität in kurzer Zeit („Seelenverwandtschaft“).
Gefahren und Folgen
Die Risiken des Catfishing sind real – und manchmal tödlich. In mehreren bekannten Fällen wurden Opfer in gefährliche Situationen gelockt:
- Kacie Woody (2002): Ein 13-jähriges Mädchen aus Arkansas wurde von einem erwachsenen Mann getäuscht, entführt und ermordet.
- Carly Ryan (2007): Eine 15-jährige Australierin wurde von einem Mann getötet, der sich als Teenager-Musiker ausgab.
- Megan Meier (2006): Ein 13-jähriges Mädchen beging Suizid, nachdem sie von einer Nachbarin online getäuscht und gemobbt wurde.
Auch sexuelle Ausbeutung, Identitätsdiebstahl und psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen sind dokumentierte Folgen.
Catfishing als Ermittlungswerkzeug
Ironischerweise nutzen auch Ermittler Catfishing-Taktiken – zum Beispiel zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch. Die NBC-Serie To Catch a Predator (2004–2008) zeigte, wie sich Undercover-Ermittler online als Minderjährige ausgaben, um Sexualstraftäter zu entlarven.
Ein weiterer ungewöhnlicher Fall: 2015 täuschten drei Mädchen einen IS-Rekrutierer. Sie gaben vor, sich der Terrororganisation anschließen zu wollen, ließen sich 3.300 US-Dollar für die Reise nach Syrien überweisen – und nutzten das Geld stattdessen für einen eigenen Urlaub.
Wie kann man sich vor Catfishing schützen?
Digitale Wachsamkeit ist der beste Schutz. Hier sind einige Tipps für mehr Sicherheit:
- Fotos prüfen: Verwenden Sie Reverse Image Search (z. B. Google Bilder oder TinEye), um Profilbilder zu verifizieren.
- Frühzeitig Videoanruf fordern: Wer sich ständig drückt, hat meist etwas zu verbergen.
- Social-Media-Präsenz prüfen: Achten Sie auf Inkonsistenzen, inaktive Profile oder fehlende Interaktion.
- Kein Geld senden: Niemals Geld an Personen überweisen, die man nur online kennt.
- Dem Bauchgefühl vertrauen: Wenn etwas merkwürdig erscheint, ist es das oft auch.
- Melden: Verdächtige Accounts den jeweiligen Plattformen oder der Polizei melden.
Fazit: Eine Mahnung im digitalen Zeitalter
Catfishing ist weit mehr als ein Internetphänomen – es ist eine ernstzunehmende Form der Täuschung mit oft verheerenden Konsequenzen. Es zeigt, wie leicht Vertrauen online missbraucht werden kann und wie gefährlich digitale Masken sein können.
In einer Welt, in der virtuelle Begegnungen alltäglich sind, ist digitale Medienkompetenz entscheidend. Menschen sollten lernen, kritisch zu denken, Informationen zu überprüfen – und auf ihr Bauchgefühl zu hören.





